Presse 2020
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"Die Sehnsucht nach der Schule ist groß"
In der Corona-Krise: Die Sonderpädagogik muss hinter
den Hygiene-Vorschriften zurückstehen
am 18.05.2020 in der PNP
Abstand halten müssen die Kinder des SFZ auch in der Pause – auch wenn es vielen von ihnen besonders schwerfällt. Foto:Schule
Schul-Sehnsucht? Vor Corona für viele Schüler undenkbar. Die Krise
führt nun vor Augen, wie wichtig gemeinsames analoges Lernen für
Kinder ist und dass die Gesellschaft nie die Kinder, die hohe
individuelle pädagogische Bedürfnisse haben, aus dem Blick verlieren
darf.
"Die Sonderpädagogik steht zurzeit hinter den Hygiene-Vorschriften
zurück", erklärt Reinhilde Galler, die Rektorin des
Sonderpädagogischen Förderzentrums Passau. Wer aktuell über Schüler
in Zeiten von Corona diskutiert, denkt vorrangig an Homeschooling.
Dabei würden oft Förderschulen in Pressekonferenzen übersehen,
kritisiert Galler. Umso wichtiger, dass sich Schulleiter und
Lehrkräfte von Förderschulen als Anwälte hinter ihre Schüler
stellen. Dabei dürfe nicht vergessen werden, dass die Bedingungen
für die individuelle Lernförderung inklusive Patenprogramm und
individuellen Wochenplänen denkbar ungünstig seien.
Denn wie lernen diese Kinder, die eine individuelle pädagogische
Begleitung brauchen – in Zeiten von Corona? Im Gegensatz zu den
meisten anderen Schulen wählte das SFZ den analogen Weg im
Homeschooling. "Oft werden die Kinder und Eltern vergessen, die
nicht über die digitalen Mittel verfügen, um an Online-Unterricht
teilzunehmen", weiß Galler. Deshalb schnüren ihre Lehrkräfte Pakete
mit Lernmaterialien vor der Schulschließung und verschicken diese
per Post an die Schüler. Damit jedes Kind dennoch individuell
betreut werden kann, fragen die Lehrer per Telefon oder Videoanruf
bei den Kindern nach. "Das ist natürlich ein hoher Mehraufwand für
unsere Lehrer, da jedes Kind einzeln erreicht wird", so Galler. Die
Rektorin erzählt, dass diese analoge Art des Homeschoolings
überraschend gut klappt. Sowohl die Kinder als auch die Eltern seien
über jede Beschäftigung froh und die Sehnsucht nach der Schule sei
pro Woche des Shut-downs gestiegen.
Neben den Bereichen Lernen und Sprache ist für das SFZ die
sozial-emotionale Entwicklung wichtiger Förderschwerpunkt. Diese ist
durch den Shutdown allerdings schwierig zu fördern. Ganz besonders
schwierig gestaltet es sich für das SFZ zu Kindern durchzudringen,
deren Eltern hochbelastet sind. Um auch diesen Kindern helfen zu
können, arbeitet das SFZ eng mit dem Jugendamt zusammen.
In der Notfallbetreuung finden nicht nur Kinder systemrelevanter
Eltern einen Platz, sondern auch Kinder, die das Jugendamt dieser
Notfallbetreuung zuweist. Trotz der engen Zusammenarbeit mit dem
Jugendamt: Galler weiß, dass es Grenzen für die (Förder-)schule als
Institution gibt. "Wir müssen uns auf die Eltern verlassen, dass sie
ihre Kinder beschäftigen und fördern." Wie nimmt sie als Rektorin
die ersten Corona-Lockerungen wahr? Es sei schön, wie sehr sich die
Kinder auf die "echte Schule" freuen, lacht Galler. Beeindruckt
erzählt sie, wie gewissenhaft die Schüler die Abstandsregeln
einhalten. Seitdem einzelne Schulklassen wieder in der Schule vor
Ort sind, stünden in den Pausen maximal sieben Schüler in einem
abgetrennten Bereich. "Alle unterhalten sich dabei mit über 1,50
Meter Abstand, obwohl es schwerfällt", beobachtet die Rektorin.
-red: Hannah Jäger