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Sonderpädagogisches Förderzentrum Passau

Presse 2015

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Wenn Unterschiede zur Normalität werden
An immer mehr Schulen hält die Inklusion Einzug. Doch nicht jeder sieht den gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht-behinderten Kindern nur positiv: Auch Kritiker schalten sich in die Debatte ein.
am 13.01.2015 in der PNP

 

 

 

von Christoph Werner

Vielfalt in der Gemeinschaft – dieser Schriftzug an der Mauer gegenüber der Eingangstür sticht sofort ins Auge, wenn man das Foyer der Grund- und Mittelschule Salzweg betritt. Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Inklusion passt er perfekt, ist die Grundschule doch die einzige Grundschule im Landkreis Passau, die das Miteinander von Kindern mit und ohne Beeinträchtigung im Schulprofil verankert hat.

An Schulen mit diesem Profil gestalten Lehrkräfte der Regelschulen und Lehrkräfte für Sonderpädagogik das gemeinsame Lernen. Regelschule meint dabei die allgemeinbildenden Schularten, zu denen neben Haupt-, Real- und Gesamtschulen auch die Grundschulen zählen. In Salzweg steht die Inklusion auf zwei Säulen: Zum einen werden Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf und Regelkinder gemeinsam unterrichtet, zum anderen gibt es die sogenannten Partnerklassen. Partnerklasse bedeutet, dass die Klassen K1/2 und K3 der K-Schule vom Caritas Förderzentrum Passau/Grubweg gemeinsam mit den Regelschülern der Grundschule lernen, neben Kunst- und Sportunterricht auch in Mathematik sowie in Heimat- und Sachkunde. Die Schüler der Grund- und der K-Schule sind jeweils zwischen sechs und zehn Jahren alt.

Die Einschränkungen der Kinder unterscheiden sich dabei stark: Während die Regelschüler eher Probleme beim Lernen, mit der Sprache oder im sozial-emotionalen Bereich haben, sind die K-Schüler überwiegend körperbehindert, teils schwer und auf den Rollstuhl angewiesen.

Gut eingebunden in Klassengemeinschaft

Wie sehr die Inklusion jedoch nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Realität des täglichen Unterrichts gelebt wird, ist dabei förmlich greifbar. Beispielsweise im Mathematikunterricht der vierten Klasse: Dort steht Sonderpädagogin Maria Fußeder vom Sonderpädagogischen Förderzentrum Passau Klassenlehrer Toni Söldner zur Seite – beide zusammen erstellen die Förderpläne für die Kinder. 22 Grundschüler besuchen die Klasse, drei davon mit sonderpädagogischem Förderbedarf. An diesem Tag kommen noch drei K-Schüler hinzu.

Die gute Einbindung in die Klassengemeinschaft wird schon deutlich, als die drei Partnerklassen-Schüler das Klassenzimmer betreten. Sofort und ohne aufgefordert zu werden, melden sich alle Schüler, neben denen noch ein Sitzplatz frei ist. Berührungsängste gibt es nicht, im Gegenteil: Die Kinder werden von den Grundschülern einfach als reguläre Mitschüler anerkannt.

"Was ist fünf mal zehn?", möchte Söldner wissen. Fast alle Finger schnellen in die Höhe. "Und fünf mal 15?" Noch immer weiß fast jedes Kind die Antwort. "Dann machen wir es mal ein wenig schwieriger", sagt der Mathematiklehrer. "Wer kann mir sagen, was sechs mal 18 ist?" Bei dieser Aufgabe müssen die Schüler schon etwas länger überlegen, es gibt nur noch vereinzelte Meldungen – auch von K-Schülern.

Nach diesen kurzen Aufwärmübungen hat Toni Söldner eine besondere Überraschung parat: Ein Arbeitsblatt mit Rechenaufgaben – zur durchgehenden Freude aller Schüler. Nur schwer können sie es erwarten, scharren förmlich mit den Füßen unter ihren Tischen, und kaum ist das letzte Blatt verteilt, fangen sie wie auf Kommando an, mit ihren Bleistiften an den Aufgaben herumzurechnen.

Nicht anders stellt sich die Lage beim Sportunterricht der 25 Schüler der zweiten Grundschulklasse zusammen mit 13 Kindern der Partnerklasse K1/2 dar, der von der stellvertretenden Schulleiterin Cornelia Reiter und der Sonderschullehrerin Kathrin Laubereau geleitet wird. In der Mehrzweckhalle ist für die Kinder ein großer Stationenlauf zum Thema "Bälle" aufgebaut worden. Vorne jonglieren die Schüler Tennisbälle auf den Schlägern, links und rechts rollen sie in gebückter Haltung Medizinbälle über kleine Rampen. Zentral werden aufgestellte Hütchen im Slalom umrundet, und im hinteren Teil der Halle versuchen die Schüler, mit einem Ball am Hockeyschläger vorwärts und rückwärts zu laufen. Besonders auffällig: Bei allen Stationen sind auch die Rollstuhlfahrer mit von der Partie, voller Elan und mit großem Spaß.

Der Grundstein für die in Salzweg gelebte Inklusion ist nach Aussage von Schulleiterin Susanne Bulicek bereits im Schuljahr 2010/2011 gelegt worden: "Zu diesem Zeitpunkt ist unser Schulhaus behindertengerecht und barrierefrei gestaltet worden." Zudem wurden die Klassenzimmer renoviert, auch ein behindertengerechter Eingangsbereich wurde gebaut. Dies sei nötig gewesen, um die räumlichen Voraussetzungen für die K-Schüler zu erfüllen und diese überhaupt an die Regelschule holen zu können. Sowohl die Gemeinde als auch die Elternschaft hatten in dieser Angelegenheit von Anfang an ein offenes Ohr, erinnert sich Bulicek.

Regierung übernimmt Kosten von 200000 Euro

Etwa 200000 Euro wurden damals investiert, erklärt Karl Bischof, der Schulleiter des Caritas-Förderzentrums für Körperbehinderte in Passau/Grubweg. Diese seien aber in voller Höhe von der Bayerischen Regierung übernommen worden, "wobei der Caritasverband für die Diözese Passau als Bauträger aufgetreten ist". Zudem habe man sich darauf geeinigt, keine Miet-, sondern lediglich die Betriebskosten zu zahlen – "schließlich haben wir ja alles saniert".