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Sonderpädagogisches Förderzentrum Passau

Presse 2022

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Aufmerksamkeitstraining statt Pillen
Konzentrationsförderung durch Neurofeedback: SFZ Passau beteiligt sich an einem Forschungsprojekt der Uni Würzburg

am 25.02.2022 in der PNP

 

Aufmerksamkeitstraining statt Pillen

Spielerisches Training: Projektleiter Pierre Walther (hinten von links) von der Uni Würzburg, Studentin Carolin König, Konrektorin Dolores Moeller und Rektorin Reinhilde Galler (vorne) schauen einem Schüler über die Schulter, der im Rahmen des Neurofeedback-Projekt am SFZ Passau über das EEG mittels eines Computerprogramms seine Gehirnströme sieht.
−Foto: Schule

 

 

von Theresia Wildfeuer

 

Hibbelige Kinder, Zappelphilipps erhalten meist Medikamente, um ihr Temperament zu bändigen. Wie Schüler mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom) und ADS ihre Konzentration durch die Neurofeedback-Therapie steigern können, hat Projektleiter Pierre Walther von der Uni Würzburg am Sonderpädagogischen Förderzentrum (SFZ) Passau, der einstigen Hans-Bayerlein-Schule, aufgezeigt. Neurofeedback ist eine Methode, um Gehirnströme über das EEG mittels eines Computerprogramms sichtbar zu machen und die Probanden zu veranlassen, ihr Konzentrationsverhalten zu verändern. Das SFZ nimmt an einem Forschungsprojekt von Prof. Dr. Stephan Ellinger und Pierre Walther von der Uni Würzburg teil, um positive Effekte der Neurofeedback-Therapie, die es im klinischen Bereich gibt, auch in die Schule zu bringen. Das Projekt startete am Montag im SFZ Passau.

Jonas (Name geändert) sitzt mit Elektroden auf der Kopfoberfläche und Clips am Ohr gespannt vor dem Bildschirm. Er soll spielerisch versuchen, anhand einer ihm bislang unbekannten Computeranimation seine Konzentration zu steigern. Begeistert versucht er, eine kleine Drachenfigur über Boxen, die sich zu einer Brücke aufbauen, trockenen Fußes über einen See zu lotsen. Jedes Mal wenn seine Aufmerksamkeit sinkt, verändert sich das EEG (Elektroenzephalogramm) und verschwindet die nächste rettende Box, und das Tierchen stürzt in das Wasser. Konzentriert er sich wieder, entsteht ein weiteres Brückenelement und die Spielfigur kommt weiter. Am Ende schafft es der Siebenjährige, den kleinen Drachen sicher ans Ufer zu hieven.

"Es hat Spaß gemacht, dass ich mit dem kleinen Drachen hüpfen konnte", erzählt Jonas am Ende der Präsentation. "Der Drache ist im Wasser gelandet, aber ich bin immer wieder zurückgefahren. Er hat es geschafft auf die Insel", freut sich der Junge. "Ich kann noch mehr Levels und will wieder spielen", verkündet er fröhlich. "Das Tolle bei Neurofeedback ist, dass die Kinder spielen und ihre Aufmerksamkeit trainieren", erläutert Projektleiter Pierre Walther. Anhand "netter Spiele", die der Münchner Arzt und Neurofeedback-Therapeut Philipp Heiler entwickelte, könnten Schüler lernen, ihre Konzentration zu verbessern. Die Kinder würden ihre eigene Hirnaktivität sehen, die über das EEG durch die Elektroden am Kopf aufgenommen und am Bildschirm dargestellt wird, und könnten diese verändern.

Ziel des Projekts sei, zu erforschen, wie sich Neurofeedback, das sich seit Jahren in der ADHS-Therapie etabliert hat und dort vielversprechende Effekte zeigt, in den Bereich Schule integrieren lässt, betont Walther. Die Studie wolle zudem eruieren, unter welchen Bedingungen es gelingt, positive Wirksamkeiten zu erzielen, die Aufmerksamkeit und Konzentration von Kindern und Jugendlichen in der Schule zu aktivieren. Dies funktioniere im klinischen Bereich. Nun gelte es, den Transfer in die schulische Praxis zu schaffen. Lehrkräfte und Trainer stellten bei einem ersten Durchlauf an Schulen fest, dass das digitale Leistungstraining wirkt. Nun wolle man in einem zweiten Durchlauf messbare Ergebnisse liefern.

Das SFZ Passau ist eine von fünf Schulen, die sich an dem Forschungsprojekt der Uni Würzburg beteiligen. Die Schüler seien begeistert dabei, berichtet Walther. 2019 habe man in Passau loslegen wollen. Die Corona-Pandemie habe den Start aber verzögert. Schulleiterin Reinhilde Galler und Konrektorin Dolores Moeller seien von sich aus erneut auf die Forscher zugekommen, um das Projekt in Passau zu realisieren.

"Ich bin begeistert", schwärmt auch Rektorin Galler. Das SFZ Passau sei stets darauf bedacht, die Schüler beim Lernen weiterzubringen. Viele litten unter Aufmerksamkeits- und Konzentrationsproblemen. "Wenn es weitere Förderung gibt, ist es uns den Aufwand wert", sagt Galler. Es gebe nicht oft die Gelegenheit, an universitätsbegleiteten Studien teilnehmen zu können. "Wir freuen uns, dass wir dabei sein dürfen."

Am Montag war es so weit. Studentin Carolin König von der Uni Würzburg weilte am SFZ, um mit einer Gruppe von neun Kindern und Jugendlichen aus verschiedenen Altersstufen zu arbeiten. Sie trainierten nun dreimal in der Woche jeweils 45 Minuten lang ihre Konzentration, informieren Schulchefin Galler und Stellvertreterin Moeller. Nicht alle der jungen Probanden würden an ADHS leiden. In den nächsten sechs Wochen seien 18 dieser Sitzungen geplant. Die Schule habe hierfür das Einverständnis der Eltern eingeholt. Zehn weitere Schüler gehörten einer Vergleichsgruppe an. Das Neurofeedback-Projekt finde zusätzlich zu den "normalen" Fördermaßnahmen der Schule statt.

Von der Neurofeedback-Therapie könnten alle Schüler profitieren, nicht nur jene, deren Konzentrationsvermögen gestört ist, erläutert Walther. Er hofft, dass nach der sechswöchigen Anfangsphase eine Fortsetzung folgt. Schon nach 20 Sitzungen könne man bereits erste Effekte erkennen. Werde das Training nach sechs Wochen abgebrochen, blieben diese Erfolge erhalten. Sie steigerten sich sogar noch. Nach 30 bis 40 Übungsstunden gebe es deutliche Fortschritte. Deshalb sei es ein Anliegen, Neurofeedback in die Schule zu bringen. Sein großer Wunsch: Dass hibbelige Kinder mit Hilfe dieser Behandlung weg von Psychopharmaka kommen oder diese reduzieren können. Erste Ergebnisse würden darauf hinweisen.

"Ich bin durch einen Artikel in einer Fachzeitschrift auf die Neurofeedback-Therapie aufmerksam geworden", erzählt Rektorin Galler, die ebenfalls hofft, mit der ergänzenden Therapie den Tablettenkonsum der Kinder eindämmen zu können. Birgit Eichberger vom mobilen Sonderpädagogischen Dienst des SFZ habe den Bericht entdeckt. Sie habe dann 2019 Kontakt mit der Uni Würzburg aufgenommen und nach einem Sondierungsgespräch im Jahr 2020 dort Interesse an der Teilnahme an der Studie bekundet. "Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es Effekte im schulischen Bereich gibt", ist sich die Schulleiterin mit ihrem Team sicher.